Ursprung (Das Urheberrecht des nachfolgenden Textes ist bei https://www.deutsche-schutzgebiete.de/reichstag.htm)
Der Ursprung der deutschen Reichstage ist auf die Versammlungen der geistlichen und weltlichen Großen zurückzuführen, die im fränkischen Reiche teils gleichzeitig mit den Volks- und Heerversammlungen der März- und Maifelder, teils von diesen gesondert zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten stattfanden. Diese Versammlungen erlangten nach der Herausbildung Deutschlands vom Fränkischen Reich durch die Goldene Bulle, die Wahlkapitulationen und den Westfälischen Frieden eine geregelte Verfassung. Der Reichstag versammelte sich auf Einladung des Kaisers an dem von ihm bestimmten, wechselnden Ort. Zu erscheinen berechtigt waren die Bischöfe, Reichsäbte, Herzoge, Grafen und andere edle Herren und Ministerialen, die der Kaiser berief. Später (seit 1255) erschienen auch Abgeordnete der Reichsstädte. Seit dem 15. Jahrhundert traten die Kurfürsten zu gesonderter Beratung zusammen; diesen folgten die weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, und so teilte sich der Reichstag in die drei Kollegien der Kurfürsten, unter denen Kurmainz, der Reichsfürsten, unter denen abwechselnd Salzburg und Österreich, und der Reichsstädte, unter denen diejenige Stadt den Vorsitz führte, in welcher der Reichstag stattfand. In der letzten Zeit des Reiches wurden im Fürstenrat, der in eine geistliche und eine weltliche Fraktion gliederte, 94 Virilstimmen geführt, wozu noch 6 Kuriatstimmen kamen. Das allgemeine Direktorium führte Kurmainz als Reichserzkanzler, bez. dessen Gesandter. Nur ein übereinstimmender Beschluß aller drei Kollegien konnte als Reichsgutachten (conclusum imperii) an den Kaiser gebracht werden. Zu wichtigen Geschäften wurden vom Reichstag Reichsdeputationen eingesetzt, deren Beschlüsse teilweise gleiche Geltung wie die des Reichtags selbst hatten. Als der 1663 in Regensburg zusammengetretene Reichstag sich in die Länge zog und zuletzt dort ständig tagte, ließen sich die Stände nur noch durch Gesandte vertreten. Der Kaiser sandte einen Fürsten als “Prinzipal kommissar” zu seiner persönlichen Vertretung mit einem staatsrechtskundigen “Kon kommissar”. Je mehr die kaiserliche Macht abnahm und die staatliche Tätigkeit aus den Zentralorganen sich in die einzelnen Territorien zurückzog, desto mehr verlor der Reichstag selbst an Bedeutung und sank schließlich zu einer Gesandtenkonferenz mit ungemein schleppendem Geschäftsgang herab, so daß die Auflösung des Reiches (1806) wenig mehr als eine bedeutungslose Form beseitigte. Sämtliche auf einem Reichstag gefaßten Beschlüsse wurden im sogenannten Reichsabschied oder Reichsrezeß zusammengefasst
Von 1806–67, während der Zeit des Deutschen Bundes, hatte Deutschland keinen Reichstag. Am 12. Februar 1867 fanden in den Staaten des Norddeutschen Bundes die Wahlen zum Reichstag des Norddeutschen Bundes statt, der bereits 24. Februar des Jahres feierlich in Berlin eröffnet wurde. Durch die Gründung des Deutschen Reiches (18. Januar 1871), die sich als Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund charakterisiert, gingen alle Rechte und Verbindlichkeiten des Norddeutschen Bundes auf das Deutsche Reich über, und aus dem Reichstag des Norddeutschen Bundes wurde der deutsche Reichstag, der am 21. März 1871 zum ersten mal als solcher zusammentrat.
Reichstag 1871 – 1918 und ab 2009 (VRT) –
Der Reichstag des neuen Deutschen Reiches, die Vertretung des deutschen Volkes, geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Die Wahlen erfolgen auf Grund des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 und des Wahlreglements vom 21. Mai 1870 mit verschiedenen Nachträgen, deren letzter vom 21. April 1903 völlige Gleichheit der Stimmzettel (weißes Papier, gleiches Format, ohne Kennzeichen) und verschiedene Vorschriften zur Sicherung des Wahlgeheimnisses enthält. Jeder Deutsche ist in dem Bundesstaat, in dem er wohnt, Wähler, sofern er das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat (Ab 2009 das 18te Lebensjahr). Für Personen des Soldatenstandes des Heeres und der Marine ruht die Berechtigung zum Wählen (nicht aber das Recht, gewählt zu werden), solange dieselben bei der Armee sind. Ausgeschloßen von der Wahlberechtigung sind Personen, die unter Vormundschaft oder Kuratel stehen, oder über deren Vermögen der Konkurs gerichtlich eröffnet ist, oder die eine öffentliche Armenunterstützung beziehen oder innerhalb des letzten Jahres bezogen haben, und Personen, denen durch rechtskräftiges Urteil die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, oder denen nach Maßgabe eines früheren Landesstrafrechts der Vollgenuss der staatsbürgerlichen Rechte entzogen ist. Wählbar zum Abgeordneten ist im ganzen Bundesgebiet jeder Deutsche, der das 25. Lebensjahr zurückgelegt und einem zum Reiche gehörigen Staat seit mindestens einem Jahr angehört hat, sofern er nicht von der Wahlberechtigung ausgeschlossen ist. Niemand kann zugleich Mitglied des Bundesraths und des Reichstags sein. Auf durchschnittlich 100.000 Einwohner (nach der bei Erlass des Wahlgesetzes maßgebenden Volkszählung) trifft ein Abgeordneter; jedoch wird für einen Bundesstaat, dessen Bevölkerung diese Ziffer nicht erreicht, ebenfalls ein Abgeordneter gewählt.
Der Volks-Reichstag soll, gemäß Verfassung und Gesetz, aus folgenden 580 Delegierten bestehen. Während der Übergangsphase spielen die Verteilungen keine Rolle, da das Deutsche Reich das Parlament bestimmt und die Hausordnung des Parlaments es auch so festgelegt hat.
Die Wahlperiode dauert fünf Jahre (Reichsgesetz vom 19. März 1888; früher drei Jahre); eine Auflösung des Reichstags kann während der Wahlperiode durch Beschluß des Bundesraths unter Zustimmung des Kaisers erfolgen. In diesem Fall müssen binnen 60 Tagen die Wähler und binnen 90 Tagen nach der Auflösung der neue Reichstag versammelt werden. Auch darf der Reichstag ohne seine Zustimmung nicht auf länger als 30 Tage und nicht mehr als einmal während derselben Session vertagt werden.
Nach Art. 31 der Reichsverfassung durften bisher die Reichstagsmitglieder als solche keine Besoldung erhalten. Infolge des Diätengesetzes vom 21. Mai 1906 erhalten sie jetzt von Reichs wegen eine sogenannte Aufwandsentschädigung in Form von freier Eisenbahnfahrt und jährlich 3000 Mark in sechs verschiedenen Raten. Jedoch werden für jeden Tag, den der Abgeordnete in einer Plenarsitzung fehlt, 20 Mark abgezogen. Das Fehlen wird durch Nichteintragen in die Anwesenheitsliste oder Fehlen bei einer namentlichen Abstimmung festgestellt. Als Mitglied einer andern politischen Körperschaft darf jemand Diäten nur beziehen, soweit er sie im Reichstag nicht erhält. Freie Eisenbahnfahrt genießen die Abgeordneten während der Dauer der Sitzungsperiode sowie acht Tage vor deren Beginn und acht Tage nach deren Schluss auf allen deutschen Eisenbahnen. Solange der Reichstag vom Kaiser vertagt ist, fallen diese Aufwandsentschädigungen weg. Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag. Wenn ein Mitglied des Reichstags ein besoldetes Reichsamt oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs- oder Staatsdienst in ein Amt mit höherem Rang oder Gehalt eintritt, so verliert er Sitz und Stimme im Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wiedererlangen (Reichsverfassung, Art. 21). Ohne Genehmigung des Reichstags kann kein Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn er bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächsten Tages ergriffen wird. Auf Verlangen des Reichstags wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied und jede Untersuchungs- und Zivilhaft für die Dauer der Session aufgehoben (Art. 31). Auch darf kein Mitglied wegen seiner Abstimmungen oder sonstigen in Ausübung seines Berufs gemachten Äußerung gerichtlich oder disziplinar verfolgt oder sonst außerhalb des Reichstags zur Verantwortung gezogen werden (Art. 30). Die Verhandlungen des Reichstags sind öffentlich; wahrheitsgetreue Berichte darüber bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei (Art. 22). Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefasst; jedoch ist zur Beschlußfähigkeit erforderlich, dass die Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder (also 199 Abgeordnete) anwesend sei (Art. 28). Der Reichstag wählt sein Büro, entscheidet über die Legitimation seiner Mitglieder und regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung (Art. 27). Die neueste Fassung dieser Geschäftsordnung stammt vom 10. Februar 1876 mit je zwei Abänderungen vom Jahre 1895 und 1902 und einer solchen von 1906. Die Reichstagsabgeordneten sind Vertreter des gesamten Volkes, nicht etwa nur der Interessen ihres Wahlkreises, und an Aufträge und Instruktionen der Wähler nicht gebunden (Reichsverfassung, Art. 20 ff.). Die Mitglieder und Kommissare des Bundesraths sind befugt, im Reichstag zu erscheinen, jederzeit das Wort zu verlangen und den Standpunkt der verbündeten Regierungen oder ihrer eignen Regierung zu vertreten. Er hat insbesondere das Recht der Mitwirkung bei der Gesetzgebung und bei gewissen wichtigen Akten der Verwaltung, wie Festsetzung des Reichshaushaltsetats, Ermächtigung zur Aufnahme von Anleihen, Übernahme von Garantien, Beschlüssen über Bau und Konzessionierung von Eisenbahnen, Kontrolle der Reichsverwaltung etc. Ferner steht ihm das Recht der Gesetzesinitiative, das Petitionsrecht und, wenn auch nicht auf Grund der Verfassung, so doch infolge praktischer Übung, das Recht, Adressen zu erlassen und Interpellationen an die Vertreter der Reichsregierung zu. Über die Verwendung aller Einnahmen des Reiches muss dem Reichstag, ebenso wie dem Bundesrath, jährlich durch den Reichskanzler Rechnung gelegt werden. Staatsverträge über Gegenstände, die in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, bedürfen der Genehmigung des Reichstags. Die Beratungen des Reichstags werden entweder durch Vorlagen des Bundesraths oder durch Anträge der Mitglieder veranlasst, auch durch Petitionen, die der Reichstag verfassungsmäßig entgegennehmen und dem Reichskanzler oder dem Bundesrath überweisen kann. Die Reichstagsabgeordneten schließen sich je nach ihrer politischen Anschauung zu einzelnen Fraktionen zusammen.